Kurseinblicke

Yoga – Vitalität und Lebensfreude im Alter

„Das chunnt haut mitem Auter!“ ist ein weit verbreiteter Ausspruch, der durchaus seine Berechtigung hat. Menschen drücken darin das Erdulden eines Zustandes aus, der, wie sie meinen, nicht beeinflussbar ist. Erika Bühlmann beweist das Gegenteil: Mit ihren 92 Jahren besucht sie regelmässig den Kurs „Hatha Yoga 50+“ der Volkshochschule Spiez-Niedersimmental. Was sie davon hat, erzählt sie im Gespräch mit ihrer Kursleiterin Beatrix Hausherr-Kummer:

Beatrix Hausherr-Kummer: Was bewirkt Yoga in deinem Leben?

Erika Bühlmann: Es macht mich zufrieden. Yoga ist für mich ein ruhender Pol, ich kann dabei sehr gut abschalten. Seit ich Yoga mache, höre ich mehr auf meinen Körper und bin gelassener geworden.

Weshalb wurdest du gelassener?

Man findet durch Yoga zu sich selber. Ich habe mich besser kennengelernt und weiss heute, was ich mir zumuten darf und was nicht. Ich fühle mich Menschen und Situationen nicht mehr ausgeliefert, sondern ich weiss, dass die Verantwortung für mein Leben und Handeln bei mir liegt.

Du bist heute also die Ruhe selbst?

Nein, wo denkst du hin! Ich kann auch heute noch sehr hässig werden und laut, ich bin nicht immer ein sanftmütiger Mensch. Aber ich fühle mich Situationen und Menschen nicht mehr ausgeliefert. Das tut gut. Ich schaue bei mir hin und bin mir bewusst, dass ich z.B. auch meinen Beitrag leiste, wenn ich mit jemandem eine Auseinandersetzung habe.

Welche Bedeutung hat Yoga für deinen Körper?

Durch Yoga behalte ich meine Beweglichkeit und meine Kraft. Wenn ich irgendwo Schmerzen habe, zum Beispiel im Rücken, dann kann ich mir selber gut tun. Ich atme in den Schmerz hinein und das hilft mir. Vor kurzem überschlug es mich in der Küche. Ich war sehr froh, dass ich einfach wieder aufstehen konnte. Es ist wichtig, in den Armen genug Kraft zu haben, damit man sich selber helfen kann.

Hast du dich in den Yoga-Stunden auch schon überfordert gefühlt?

Nein, noch nie. Ich hatte auch noch nie Schmerzen nach dem Yoga. Es baut mich auf, von Woche zu Woche. Natürlich kann ich nicht mehr alle Übungen mitmachen, aber das ist kein Problem. Du bist jeweils sehr aufmerksam mir gegenüber. Ich bin froh, dass du mir hilfst, mit meinen Grenzen umzugehen und ich finde es schön, dass du dich mit mir an meiner Beweglichkeit freust.

Dazu habe ich auch allen Grund. Welches ist dein eindrücklichstes Erlebnis durch das Yoga?

Als ich einmal auf dem Friedhof war und ein Grab pflegte, wurde bei meinem Auto die Scheibe eingeschlagen, mir wurde das Portemonnaie gestohlen und mein Handy. Als die Polizei kam und wir die ganze Bescherung angeschaut hatten, fragte ich sie, ob sie mich ins Yoga fahren würden. Das taten sie. Diese ganze Aufregung hinter mir lassen, zur Ruhe kommen und total entspannen, das tat so gut. Oder es gab eine Zeit, da war meine Tochter schwer krank und ich pflegte sie. Wenn ich damals jeweils ins Yoga ging, liess ich dort sämtliche Sorgen los, fand zur Ruhe, nahm mich und meinen Körper wahr und entspannte mich. Das war das Beste, das ich für mich tun konnte.

Empfiehlst du Yoga älteren Menschen, auch wenn sie das noch nie gemacht haben?

Aber sicher! Besonders älteren Menschen empfehle ich es. Man tut etwas für sich, lässt sich nicht fallen. Es ist gut fürs Gemüt und macht zufrieden. Aber natürlich muss man das wollen, es ist ja auch anstrengend. Wenn man dann aber spürt, wie gut es einem tut, dann bleibt man dran, dann will man nicht mehr aufhören.